Das hochsensible Kind

Mädchen
Lesezeit ca: 4 Minuten
  • New tab
Jutta AdministratorKeymaster
Mein Name ist Jutta Jorzik-Oels, als Berater und Coach bin ich spezialisiert auf Hochsensibilität. Ich helfe hochsensiblen Menschen in Krisensituationen.

 

Fortsetzung des Beitrags: Ist mein Kind hochsensibel?

Man kann den Eindruck haben, es werden seit der Jahrtausendwende immer mehr und mehr hochsensible Kinder geboren. Tatsache ist, dass ein hochsensibles Kind heute vor ganz andere Herausforderungen gestellt wird als noch vor 30 Jahren.

Die immer weiter entwickelten neuen Technologien und die digitale Vernetzung hat die ganze Erde mit einem immer engmaschiger werdenden elektromagnetischen Netz überzogen. Viele hochsensible Menschen spüren diese elektromagnetische Strahlung und bekommen Krankheitssymptome davon. Einfluss hat diese Strahlung jedoch auf alle Menschen. Manchmal vermute ich, dass dadurch die Hochsensiblen immer sensibler werden, die Normalsensiblen immer unsensibler.

Hochsensible Kinder der 1970er und 80er Jahre hatten es deutlich leichter. Es gab damals noch keine Handys!

Andererseits galten viele einfach nur als schwierige Kinder, denn der Begriff Hochsensibilität kam im deutschsprachigen Raum erstmals 2012 auf durch die Übersetzung der Bücher von Elaine Aron.

 

 

Das hochsensible Kind in Kindergarten und Schule

Jedes Kind verhält sich in der Gruppe anders als allein oder mit den Geschwistern zu Hause. In der Kita steht das Soziale, das gemeinsame Spielen und Tun im Vordergrund.

Hochsensible Kinder sind meistens sehr wählerisch bei der Auswahl von Spielkameraden. Wenn sie bisher nicht an das gemeinsame Spiel mit normalsensiblen Kindern gewöhnt waren, haben sie oft Probleme: mit deren anderer Art zu spielen: Mit einer aufgebauten Eisenbahn nur Eisenbahn fahren? Das ist langweilig.

Vielen HS-Kindern wird jetzt bewusst, dass sie anders sind. Sie sind häufig Aussenseiter; vor allem, wenn sie neu in der Gruppe sind. Darunter leiden sie sehr, sie möchten so gern dazugehören.

Durch die vielen Sinnesreize sind sie überfordert in den üblichen Kitagruppen.

Die Folge ist, dass sie sozial auffällig sind und sehr oft als „schwierige“, manchmal als „gestörte“ Kinder gelten.

Sprachlich sind sie oft weiter entwickelt als Gleichaltrige. Manche suchen eher das Gespräch mit einem Erwachsenen als mit anderen Kindern; mit deren Themen sie oft nichts anzufangen wissen. Sie wirken oft wie kleine Weise und werden gern als altklug bezeichnet.

Wenn dir als Mutter oder Vater solche Klagen entgegengebracht werden, solltest du spätestens jetzt überlegen, ob dein Kind hochsensibel ist! Hochsensible Kinder sind nicht schwierig, nur anders!

 

Hochsensible Kinder sind überfordert in Gruppen

Sie haben zum Beispiel eine höhere Individualdistanz als Normalsensible. Jeder Mensch hält instinktiv den individuellen Abstand zum anderen ein, wann immer es möglich ist. Niemand mag es, wenn man ihm zu nah „auf die Pelle“ rückt; man macht dann meist einen Schritt zurück oder rückt zur Seite. Diese Individualdistanz ist in etwa gleich bei Menschen, die zur selben Ethnie gehören. Bei normalsensiblen Mitteleuropäern sind das etwa 50 cm, bei Südeuropäern weniger, bei Asiaten sehr viel weniger, bei Nordeuropäern viel höher. Hochsensiblen ist diese Distanz viel zu gering, für sie ist die als normal geltende Distanz ein massives Eindringen in die Intimsphäre.

Deshalb mögen HS-Kinder oft nicht mitmachen bei Kreisspielen oder im Stuhlkreis. Aber auch seelisch und energetisch rücken andere Kinder HS- Kindern zu nah. So ist es z.B. typisch, wenn ein HS-Kind sagt, ein anderes Kind habe es so geärgert, es habe „so komisch geguckt“.

Das alles zusammen kann eine so massive Überforderung für hochsensible Kinder sein, dass sie keine andere Möglichkeit sehen als zu schlagen oder auf andere Art aggressiv zu reagieren. Vor allem, wenn die Möglichkeit fehlt, sich zurückzuziehen und abzusondern. In Wirklichkeit handelt  es sich nicht um Aggression, sondern um verzweifelte Selbstverteidigung!

Andere hochsensible Kinder fallen auf durch ihre extreme Verträumtheit. Meist sind sie sehr still und spielen selten mit anderen, was zur Folge hat; dass sie als „unsozial“ gelten. Sie haben gelernt, sich in sich selbst zurückzuziehen, um der Überforderung auszuweichen. Dadurch bekommen sie natürlich vieles überhaupt nicht mit, was gesagt  wird, zum oft völligen Unverständnis der Erwachsenen.

Wie gut ein hochsensibles Kind in Kindergarten und Schule zurechtkommt, liegt zum grossen Teil daran, mit welchen Pädagogen es zu tun hat.

Schon sehr junge HS-Kinder fallen durch ihr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden auf und reagieren stark darauf, wenn ein anderes Kind ungerecht behandelt wird. Lügen durchschauen sie sofort, kein Erwachsener kann einem hochsensiblen Kind etwas vormachen! Ein Erzieher oder Lehrer, der es nicht immer so genau nimmt mit der Wahrheit, wird niemals den Respekt eines HS-Kindes haben. Ein Pädagoge darf in den Augen des hochsensiblen Kindes durchaus Schwächen haben, solange er nur authentisch und wahrhaftig ist!

 

Soziale Probleme

Mit kaum etwas tut man hochsensiblen Kindern so unrecht wie mit dem Glauben, dass sie unsozial seien. In Wirklichkeit fühlen sie sich zutiefst verbunden mit allen und allem. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die meisten von ihnen keine Wettkämpfe mögen. Warum sollte man besser sein wollen als jemand anders? Darin sehen sie keinen Sinn. Spiele, in denen man den anderen austricksen soll, auf falsche Fährten locken, um zu gewinnen, sind ihnen zuwider. Ein Wettlauf unter HS-Kindern sieht so aus: Alle rennen gleichzeitig los; die Schnellste guckt sich um, wo denn die anderen bleiben, und hält an, um auf sie zu warten. Sobald die sie eingeholt haben, geht es wieder weiter. So macht ein Wettlauf Spass!

Je älter das hochsensible Kind wird, desto deutlicher zeigt sich eine weitere typische Eigenschaft: Es nimmt sich alles, was es erlebt, sehr zu Herzen, beschäftigt sich gründlich und lange damit.

Es wird ihm immer stärker bewusst, wie anders es ist; und ist traurig, dass es von Kindern und Erwachsenen so wenig verstanden wird. Deshalb ist es kein Wunder, dass sehr viele hochsensible Kinder nicht so fröhlich und unbeschwert sind, wie Kinder im allgemeinen.

 

Hochsensible Kinder lernen anders

Mit dem Schuleintritt beginnt „der Ernst des Lebens“. Selbst zu entscheiden, wo man mitmachen möchte und wo nicht, ist jetzt kaum noch möglich. Hochsensiblen Kindern fällt es ganz besonders schwer, etwas zu tun, nur, weil es befohlen wird.  Auch wenn sie neugierig und lernbegierig sind, ist es für sie wichtig, einen Sinn darin zu erkennen, was sie tun sollen.

Hochsensible Kinder haben aufgrund ihrer anderen neuronalen Vernetzung ein anderes Lernverhalten als Nicht-Hochsensible: Sie lernen immer vom Ganzen zum Detail; Normalsensible dagegen lernen vom Detail zum Ganzen. Da der Unterricht fast immer vom Detail ausgeht, kann das dazu führen, dass ein nicht überdurchschnittlich oder hochbegabtes HS-Kind als lernschwach eingestuft wird.

Ihre andere Art zu lernen ist der Grund, dass manche HS-Kinder bestimmte Dinge trotz sehr guter Begabung erst viel später lernen als die Altersgenossen. Manche lernen erst mit 9 oder 10 Jahren, die Uhr zu lesen – sie sehen keinen Sinn darin, und spüren ja sowieso, welche Zeit so ungefähr ist.

Manche Kinder weigern sich jahrelang, zu lesen. Das kann Selbstschutz sein vor noch mehr Informationen. Vor allem ist es viel schöner, sich vorlesen zu lassen, weil man dabei viel mehr bewegte Bilder im Kopf hat als beim selber lesen.

 

Kind am Fenster
Manche Kinder ziehen sich zurück

 

Hochsensible spüren anders

Auf die Weise werden viele hochsensible Kinder zu Sorgenkindern von Lehrern und Schulpsychologen werden. Es heisst, sie können sich nicht konzentrieren. Das mag sein; denn die im oben beschriebene Überforderung durch Reizüberflutung, sowie das unvermeidliche dauernde Zu-nahe-rücken von Mitschülern macht ihnen den ganzen Schultag zu schaffen.

Eine grosse Schwierigkeit für hochsensible Kinder liegt darin, dass es oft gar nicht erkennt und deshalb auch nicht kommunizieren kann, wenn es etwas ganz anders wahrnimmt.

Es weiss, es ist anders. Es hat gelernt, über nicht-sinnliche Wahrnehmungen nicht zu sprechen. Aber woher soll es wissen, dass die Anderen bestimmte Dinge, die deutlich von allen gesehen oder gehört werden, nicht genau so spüren wie sie? Wie beispielsweise die Leuchtstoffröhren, mit denen jeder Klassenraum beleuchtet wird; für Hochsensible eine Qual.

Darunter fallen auch Synästhesien, die einhergehen mit Sinnesreizen. Für den Synästhetiker sind sie so selbstverständlich, dass manche erst als Erwachsene feststellen, dass andere Menschen z.B. Zahlen nicht farbig sehen beim Vorstellen.

 

ADHS

Heutzutage wird bei vielen Kindern AD(H)S diagnostiziert. Was ADHS genau ist, weiss niemand so genau. Das S am Schluss steht für Syndrom; das bedeutet, die Diagnose wird aufgrund einer bestimmten Anzahl positiver Testitems gestellt. Im Labor nachweisbar ist AD(H)S nicht. In den 70ern hiess das Syndrom MBD für Minimal Brain Damage, bis sich herausstellte, dass das Gehirn von sog. MBD-Kindern völlig normal funktionierte. Bis heute gibt es Ärzte und Heilpädagogen, die der Ansicht sind, dass es sich um eine reine Kunstdiagnose handele und es so etwas wie ADHS gar nicht gibt.

Tatsache ist, dass viele diagnostizierte AD(H)S- Kinder hochsensibel sind. Sobald Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse von Hochsensibilität genommen wird, ist von AD(H)S nichts mehr festzustellen!

Jedem Eltern,  bei dessen Kind AD(H)S vermutet wird, sollte als erstes ernsthaft überlegen, ob das Kind nicht hochsensibel ist!

Häufig langweilen hochsensible Kinder sich ganz fürchterlich in der Schule. Die Lerninhalte interessieren sie nicht, sie empfinden sie als sinnentlehrt. Also verweigern sie die Mitarbeit, beschäftigen sich mit ihrer eigenen inneren Welt und wirken nach aussen sehr unkonzentriert.

lies auch: ADHS und andere Fehldiagnosen

 

Schutzraum

Hochsensible Kinder brauchen auch als Jugendliche besonders viel Schutz. Schutz und Verständnis.

Viele HS-Kinder leiden ab der Pubertät sehr unter Weltschmerz; sie spüren das Leiden der ganzen Welt mit. Hilf ihnen, dieses Leid zu tragen. Für empathische Hochsensible ist es normal, oft Trauer zu spüren. Höre zu und bleibe im Gespräch mit deinem Kind.

Auf die Schule hast du nur bedingt Einfluss, umso wichtiger ist es, dass das Kind / der Jugendliche zu Hause einen Schonraum hat, wo auf seine Besonderheit Rücksicht genommen wird und wo er oder sie sich verstanden fühlt.

siehe auch Die Einsamkeit von Hochsensiblen

Du möchtest mehr wissen über Hochsensibilität bei Kindern? Hier ist mein Buch zum Thema:

noch mehr Bücher zum Thema: „Der Traumdenker“

Mama, Papa, ich habe kein ADS – ich bin hochsensibel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert