Beziehung in Schieflage

Nicht ausbalanciert
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Jutta AdministratorKeymaster
Mein Name ist Jutta Jorzik-Oels, als Berater und Coach bin ich spezialisiert auf Hochsensibilität. Ich helfe hochsensiblen Menschen in Krisensituationen.

 

Dieser Beitrag ist die Fortsetzung  zu Mein Partner ist doch kein Narzisst!

Narzissmus bzw. die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine sehr schwerwiegende Störung; eines der Merkmale ist manipulatives Verhalten, das in der Beziehung zum Partner mehr oder weniger subtil eingesetzt wird. Dem Narzissten geht es immer darum, seine/n Partner/in zu kontrollieren und abhängig zu machen. Zu diesem Zweck wendet er verschiedene Mittel an, übt Macht aus, welche immer eine toxische Wirkung auf die Beziehung haben.

Allerdings: Der Begriff Narzissmus wird heute inflationär gebraucht. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung umfasst ein sehr breites Spektrum; im o.e. Beitrag ging es um die weniger bekannten, subtilen Formen von Narzissmus. Der Übergang zum Normalen ist fliessend; ob bei Jemandem eine NPS diagnostiziert wird oder nicht, hängt wohl auch vom Arzt oder Therapeuten ab.

Deshalb gilt:

Noch lange nicht jeder, der Macht anwendet in einer Beziehung und dadurch den Partner manipuliert, ist narzisstisch gestört!

 

Toxisches Verhalten vergiftet jede Beziehung

Das gilt jedoch immer:

Die Anwendung von Macht in einer  Beziehung ist immer toxisch! 

Die Machtmittel sind dabei durchaus dieselben, die auch narzisstisch gestörte Menschen anwenden. Was ist der Unterschied?

NPSler bedienen sich sich eines ganzen Repertoires  verschiedener Methoden; und vor allem setzen krankhafte Narzissten diese gezielt ein, um zu manipulieren und den/die Partner/in zu beherrschen.

Einem nicht persönlichkeitsgestörten Menschen ist dagegen in der Regel weder bewusst, dass er allein durch die Anwendung von Macht manipuliert; noch, wie zerstörerisch das auf die Beziehung wirkt.

Denn dieses toxische Verhalten zersetzt langsam, aber sicher die Beziehung wie Hausschwamm die Grundpfeiler eines Hauses.

Auf die folgenden Methoden der Machtausübung trifft man häufig auch in normalen Beziehungen.

 

Aktive Machtmethoden

Abwertendes Verhalten

Dazu zählen ständige kleine Sticheleien; immer wieder abfällige, abwertende Bemerkungen. Sie können sehr subtil sein; oft klingen derartige Bemerkungen in den Ohren aussenstehender Anwesender ganz harmlos.  Auf den Empfänger jedoch ist die Wirkung wie ein schleichendes Gift. Langsam aber sicher entsteht im Anderen ein Gefühl der Minderwertigkeit und der Unterlegenheit dem Partner gegenüber.

Die Steigerung davon sind ständige, wiederholte Vorwürfe. Nichts kann der Andere recht machen; was immer er tut, ist falsch.

Selten ist denjenigen, die sich so verhalten, klar, wie zerstörerisch ihr Verhalten auf die Beziehung wirkt.

 

Überschiessende Reaktionen

Man ist extrem schnell verletzt; der geringste Anlass, das kleinste „Vergehen“ des Partners ruft heftigste Reaktionen hervor. Der Partner traut sich kaum, sich spontan zu äussern. Jede Äusserung wird in Gedanken vorformuliert, jedes Wort mindestens drei Mal im Mund umgedreht, bevor es ausgesprochen wird, um bloss den Anderen nicht durch unbedachte Wortwahl zu verletzen. Die Reaktionen bei versehentlich falscher Ausdrucksweise reichen von beleidigt sein über Türen-knallend-den-Raum -verlassen bis hin zu tränenreichen Wutanfällen.

Eine extrem niedrige Reizschwelle ist typisch für Menschen mit einer PTBS (Posttraumatisches Belastungs-Syndrom) und für hypervulnerable Hochsensible.

Die mildere Form davon ist das ewige Meckern, nichts kann man dem/der Partnerin recht machen.

 

Formen passiver Machtanwendung

Häufiger sind jedoch die verschiedenen Formen von passiver Machtausübung. Viele Menschen haben so etwas in ihrer Kindheit kennengelernt und übernehmen das Verhalten unbewusst: Man möchte Konflikten aus dem Weg gehen; hat nie eine positive Streitkultur gelernt und flüchtet sich in:

 

Distanzverhalten

Man weicht dem Partner aus, stellt sich keinem offenen Gespräch. Auf Fragen, was denn los sei, wird ausweichend geantwortet. Vorschläge zu gemeinsamen Unternehmungen werden mit fadenscheinigen Ausreden abgelehnt.

Man entzieht sich dem Partner, wo man kann.

Was daran toxisch ist? Man lässt den/die Partner/in zappeln; oft weiss der gar nicht, warum der/die Andere ganz offensichtlich beleidigt ist.  Derjenige, der ausweicht, sitzt immer am längeren Hebel; der Partner gerät automatisch in die Position des Bittstellers und ist abhängig vom Verhalten des Partners. Das ist manipulatives Machtverhalten!

 

Distanzverhalten

 

Dieses ausweichende Verhalten findet man oft in Freundschaften.

Du möchtest etwas besprechen – der/die Andere hat gerade keine Zeit und vertröstet dich auf irgendwann später, auf einen nicht näher genannten Zeitpunkt. – Du rufst an, der Anruf wird nicht entgegen genommen, oder du wirst kurz abgewimmelt. Auf SMS wird nicht reagiert. – Verabredungen werden kurzfristig abgesagt. Wenn es dann endlich zu dem lang ersehnten Treffen kommt, hat der/die Andere „aber nur ganz kurz Zeit“.

Alle Kontaktaufnahmen gehen immer nur von dir aus – es sei denn, der/die Andere möchte dich um einen Gefallen bitten.

Mit Freundschaft hat das nichts zu tun!

Die Steigerung vom ausweichenden Distanzverhalten ist:

 

Die Schweigemauer

Viele haben in ihrer Kindheit diese Art Machtmissbrauch durch die Bezugsperson als Strafe kennengelernt: Unerwünschtes Verhalten wurde durch Ignorieren bestraft – eine der schlimmsten Formen von emotionaler Erpressung!

Der/die Partner/in wird über Tage oder sogar Wochen vollkommen ignoriert.

Schmollen ist eine äusserst wirksame Form der emotionalen Erpressung.

Der oder die schmollende Person zeigt durch ihre abweisende Haltung, dass man sie gekränkt hat. Aber womit? Das heraus zu finden, bleibt dem Anderen überlassen.

Auf Fragen wird nicht reagiert. Die schmollende Person ist der Ansicht, der Andere müsse schon selbst den Grund seines/ihres Schmollens herausfinden.

Gesprochen wird, wenn überhaupt, nur das Notwendigste. Anrufe werden nicht entgegengenommen, Nachrichten nicht beantwortet.

Dieser Zustand kann Wochen, bzw. in einer Freundschaftsbeziehung sogar Monate andauern. Währenddessen wächst der emotionale Druck auf den Partner; der oft gar keine Ahnung hat, warum der/die Beleidigte so schwer gekränkt ist. Denn häufig handelt es sich um winzige Kleinigkeiten, die die Kränkung verursacht haben, wie beispielsweise eine unglückliche Formulierung oder eine kleine Nebensächlichkeit.

Diese Form der Machtausübung wirkt besonders toxisch, da der Partner hilflos wie ein Fisch an der Angel zappelt und zur Ohnmacht verurteilt ist.

Das Schmollen oder das „Grosse Schweigen ist als reaktive Machtanwendung ungleich zerstörerischer als das weiter oben beschriebene Verhalten unter Überschiessende Reaktionen, denn auch eine übertriebene Reaktion bietet dem/der Partner/in die Möglichkeit zu agieren.

Der schmollende Schweiger bestimmt darüber, wann er wieder reagiert. Je länger das Schmollen und Schweigen anhält, desto mehr leidet der Partner; desto erleichterter ist er/sie meist, wenn endlich das Schweigen gebrochen wird.

Häufig ist derjenige, der so lange darunter gelitten hat, ignoriert zu werden,  nun zu Zugeständnissen bereit, die er/sie gar nicht machen wollte nur damit der Andere nicht wieder beleidigt ist.

In einer solchen Beziehung gibt es keine Balance! Der/die Eine/r bestimmt die Spielregeln, der/die andere muss folgen.

 

Die Wand
Schweigemauer

 

Typisch ist, dass der- oder diejenige, die unter einem solchen „Schmoller“ leidet, davon überzeugt ist, dass der schmollende Partner halt so sensibel ist und deshalb so reagiert. Das Machtspiel dahinter wird nicht erkannt.

Dem Schweiger dagegen ist meist nicht bewusst, wie sehr er seine/n Partner/in verletzt, und wie sehr er die Beziehung in Gefahr bringt.

 

Unterschiede zur narzisstischen Störung

Ein Therapeut hat die narzisstische Manipulation mal mit einem Schachspiel verglichen.  Der Vergleich ist gar nicht schlecht; ein guter Schachspieler plant sehr viele Züge im Voraus; ein unerfahrener Spieler fällt auf das erste Bauernopfer rein.

Ein Mensch, der aufgrund seines schwachen Selbstbewusstseins Macht anwendet, ist kein Schachspieler: Er/sie plant seine Handlungen nicht, oft manipuliert er gar nicht bewusst, sondern weiss sich nicht anders zu helfen.

Die hier erwähnten Formen von Machtanwendung in der Beziehung werden meist in der Kindheit erlernt und übernommen. Dennoch wirkt sich Machtverhalten auf jede Beziehung katastrophal aus. Das Gleichgewicht verschiebt sich immer mehr, eine Beziehung auf Augenhöhe ist nicht möglich.

Denn der oder die Andere fühlt sich in aller Regel schuldig, schlecht oder minderwertig  dem Partner gegenüber. Damit ist einer guten Beziehung der Nährboden entzogen.

Ob der Macht ausübende Partner nun an einer NPS leidet oder nicht spielt kaum eine Rolle. Wichtig ist lediglich, ob und wie sehr der/die Andere leidet!

Einen grundlegenden Unterschied gibt es jedoch: Ein Narzisst empfindet sich als nicht gestört! Im Gegenteil hält er höchstens seinen Partner für psychisch krank. Er ist deshalb selten bereit, eine Therapie zu beginnen.  Und obwohl nach neueren Erkenntnissen ein Therapie bei einer NPS zur Heilung führen kann, ist das ein sehr langwieriger, in der Regel jahrelanger Prozess. Meist wird die Therapie immer wieder von den Betroffenen unterbrochen, weil das Sich-Stellen und die Auseinandersetzung mit sich selbst so schmerzhaft ist.

Im Gegensatz dazu ist eine Paartherapie oder auch Einzeltherapie bei einem Nicht-Persönlichkeitsgestörten sehr effektiv!

 

Beziehung in Balance

Was kannst du nun tun, um deine Beziehung zu „detoxen“ und ein Gleichgewicht herzustellen?

Egal, welche Art von Macht dein Partner anwendet:

Lass dich nicht auf sein Spiel ein!

Was heisst das in der Praxis? Macht er/sie abwertende, gehässige Bemerkungen, konfrontiere ihn/sie damit: „Du bist gerade sehr unsachlich, das ziehe ich mir nicht an……“

Bei wiederholten Vorwürfen und Beschwerden (auch, wenn diese berechtigt sein sollten, weil du tatsächlich nie oder fast nie den Müll rausbringst) schlage vor, sich zu einem Gespräch zu verabreden, bei dem sachlich über das Problem diskutiert wird.

Lass dich nicht verletzen! Mach dir klar: Es ist nicht deine Schuld! Sondern es ist dein/e Partner/in, der/ die ein Problem hat!

 

Balance in der Beziehung
Balanceakt

 

Wenn dein/e Partner/in reaktive Macht anwendet, reagiere – gar nicht!

Tu so, als ob gar nichts wäre. Rede ganz normal, freundlich und sachlich mit deinem/deiner Partner/in und ignoriere konsequent sein Schweigen. Kommuniziere wie immer: Wünsche guten Morgen, berichte von Dingen, die dich bewegen; mache Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen. Vermeide aber, Fragen zu stellen! Stattdessen wähle Formulierungen wie: „Hoffentlich hattest du einen schönen Abend!“ – „Ich habe überlegt, wir könnten heute Abend mal ins Kino gehen, da läuft XY; kannst du dir ja überlegen, ob du Lust hast.“ – Und dann :“ So, Zeit zu gehen, der Film fängt an, kommst du mit?“ Aber nicht lange auf  Antwort warten, sondern gehen.

Damit nimmst du ihm/ihr den Wind aus den Segeln. Sie/er wird sehr schnell merken, dass er nichts erreicht mit dem passiven Aggressionsverhalten!

Sobald er/sie einen Schritt auf dich zu macht, gehe darauf ein. Schlage einen gemeinsamen Kurs in gewaltfreier Kommunikation vor. Im nächsten Schritt evtl auch eine Paartherapie.

(Lies auch  Kommunikation und Macht )

 

Verzeih dir selbst!

Ja, ich weiss: Die obigen Ratschläge sind vor allem für empathische Hochsensible nicht so leicht umzusetzen. Aber deine Beziehung sollte es wert sein!

Versuche unbedingt, Trotzreaktionen zu vermeiden; etwa, indem du Gleiches mit Gleichem quittierst! Du möchtest vielleicht nur dem/der Partner/in einen Spiegel vorhalten, aber du gibst damit den Ball zurück, den sie/er dir zugespielt hat und stimmst damit den Spielregeln zu. Das kommt einer Aufforderung gleich, das Machtspiel fortzusetzen.

Wenn deine emotionellen Reaktionen auf die Machtanwendungen deines Partners es dir zunächst unmöglich machen, gelassen und neutral wie oben beschrieben zu reagieren, kannst du zunächst eine Paartherapie* auch allein beginnen.

Vor allem aber:

Wie auch immer du reagierst oder in der Vergangenheit reagiert hast –

Es gibt keinen Grund für dich, dich schuldig zu fühlen.

Denn Scham ist bei fast jedem Menschen, ganz besonders aber bei Hochsensiblen, das vorherrschende Gefühl nach und in einer toxischen Beziehung.  Scham ist der stille Begleiter jedes emotionalen Traumas, wie es durch die Anwendung von Macht und Manipulation verursacht wird.

Die Meisten von uns haben leider bereits in der Kindheit Machtanwendung kennengelernt in Form von Liebesentzug als Strafe durch die Eltern.

Als Kind schämtest du dich dafür, dass du den Erwartungen nicht entsprachst. Seitdem hockt deine Scham in einem versteckten Winkel und wartet nur auf eine Gelegenheit, wieder hervor zu kommen. Und das toxische Verhalten von Partner oder Freund oder Kollegen ist diese Gelegenheit! Alte Muster werden aktiviert; irgendwie muss es doch auch an dir liegen, dass du so behandelt wirst?

(Lies bitte auch:  Hochsensibel oder Narziss?)

Und so fühlst du eine diffuse Schuld; schämst dich dafür, dass du in einer solchen Beziehung ist; dass du solch ein/n Partner/in hast. Dass dir „das passiert“. Dass du keine Antwort hast auf das Verhalten vom Partner oder Freund.

Im schlimmsten Fall schämt man sich für seine Scham!

Bitte mach dir klar: Scham ist eine normale Reaktion auf emotionalen Missbrauch!

Scham ist kein Symptom für Schwäche!

Und wenn du dich schämst, stehe zu deiner Scham! Das mag die Scham gar nicht, sie wirkt nur im Verborgenen. Je mehr und je offener du dazu stehst, dass dein/e Partner/in toxische Methoden anwendet, und zu deiner Scham, dass du in solch einer Beziehung bist, desto schneller wird die Scham sich auflösen.

Hier findest du ein wunderbares Lied, das dich unterstützen kann bei diesem Prozess:   Ich verzeihe mir

 

Jetzt gibt es endlich den Beziehungsratgeber für Hochsensible!

 

*Gerne berate ich dich auch!  Sieh dir mein Angebot  an oder schicke mir eine Mail.

Wie immer freue ich mich auch über deinen Kommentar; gerne weiter unten im Kommentarfeld – (Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht) – oder per Mail!

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2 Gedanken zu „Beziehung in Schieflage

    1. Hallo Freya,
      Danke für Deinen Kommentar. – Ich vermute, Du meinst mit „Mauer“ passive Aggression oder ausweichendes Distanzverhalten. Das ist sicher sehr schwierig, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen halte ich für unmöglich. Respekt bzw. Achtung dem Menschen gegenüber kann man sicher trotzdem bewahren. – Eine weitreichendere Antwort kann ich Dir leider hier in dieser Kommentarfunktion nicht geben. Wenn Du Rat oder Hilfe brauchst, buche gerne ein Gespräch bei mir.
      Herzbewegte Grüsse, Jutta

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