Trennung nach Paartherapie

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Jutta AdministratorKeymaster
Mein Name ist Jutta Jorzik-Oels, als Berater und Coach bin ich spezialisiert auf Hochsensibilität. Ich helfe hochsensiblen Menschen in Krisensituationen.

Kennst du solche Paare? Nach einer glücklichen Zeit gerät die Beziehung in eine ernsthafte Krise. Doch statt sich zu trennen, entschliessen die Partner sich zu einer Therapie; einzeln oder gemeinsam. Diese ist, oft nach langen Anstrengungen, von Erfolg gekrönt.
Und dann – Friede, Freude, zweiter Honeymoon? Das könnte man annehmen. Aber stattdessen kommt es nun, nachdem endlich aller wieder gut läuft, zur endgültigen Trennung.

Warum? Und wieso gerade jetzt?

Geschichte einer Ehe

A und P haben sich getrennt. A hat nach 15 Jahren Ehe die Scheidung eingereicht.

Die Eheschliessung war eine echte Liebesheirat gewesen. Die ersten Jahre war die Ehe sehr glücklich; auch noch, als die erste Tochter geboren wurde.

Dann begann P sich zu ändern. Er bekam immer häufiger Wutanfälle und begann, A zu bedrohen. Zuerst war A nur irritiert – so kannte sie ihn doch gar nicht! Dann ertappte sie ihn bei Lügen. Dann, als sie mit dem zweiten Kind schwanger war, entdeckte sie die Flaschen. Leere und halbvolle Schnapsflaschen zwischen Ps Socken, hinter seinen Computerzeitschriften und anderen merkwürdigen Orten.

P trank heimlich, das tun doch nur Alkoholiker!
A war verzweifelt. Die Schwangerschaft war nicht unproblematisch, eine Trennung kam nicht infrage.

Die zweite Tochter wurde geboren. A ging völlig in der Mutterrolle und ihrer Arbeit als Buchhändlerin auf.  Über ihre unglückliche Ehe dachte sie nicht nach.

Dann begann P auch die Mädchen anzuschreien und emotional zu erpressen. „Wenn du das noch mal tust, will ich dich nicht mehr sehen!“, war noch das Harmloseste. Von Unterbringung im Heim war die Rede und Schlimmerem.

Und A? Sie redete, bat, bettelte, drohte mit Trennung. Dann nahm P sich für einige Tage zusammen, bis es von vorn losging. Warum zog A nicht aus mit den Kindern? Sie wollte nicht aufgeben! Es musste doch möglich sein, dass P wieder zu dem Mann wurde, mit dem sie so glücklich gewesen war!

Streit

Bis hierhin ist die Geschichte von A und P jedem bekannt. Sie wiederholt sich tausendfach, so oder ähnlich.

In diesem Fall gab es aber eine unerwartete Wendung.

A suchte eine Psychologin auf und begann eine Therapie mit dem Ziel, sich besser wehren zu können und ihre Töchter besser schützen zu können. Und damit wendete sich das Blatt!

P war bereit, einen Therapeuten aufzusuchen. Nach einigen Monaten begann er, an den Treffen der anonymen Alkoholiker teilzunehmen.
Zu ersten Mal nach Jahren schöpfte A Hoffnung. P bekam nach wie vor Wutanfälle, manipulierte und erpresste; aber er sah deutlich, dass er massive Probleme hatte und Hilfe brauchte. Er wollte seine Ehe retten und seine Familie erhalten! Nach zwei Jahren Einzeltherapie schlug P eine gemeinsame Paartherapie vor. A war selbstverständlich sofort bereit dazu; jetzt war sie sicher, dass sie beide ihre Ehe retten könnten! Ihre tiefe Liebe zu P, die über die Jahre ganz verschüttet worden war, erwachte wieder.

A und P begannen eine  Paartherapie, in der beide intensiv an ihren Gefühlen, ihrem Verhalten, übernommenen Erziehungsmustern und Rollen arbeiteten. Es war ein mühsamer Weg für beide. Fortschritte machten ihnen Mut. P hatte aufgehört zu trinken. Er wurde zu dem liebevollen Vater, den A sich gewünscht hatte.

Zwei Jahre gingen die beiden regelmässig zur Paartherapie. P ging noch ein weiteres Jahr zur Einzeltherapie, um seine schweren Kindheitstraumata aufzuarbeiten. Ausserdem ging P weiter regelmässig zu den Treffen der anonymen Alkoholiker. Aber schliesslich waren die Therapien beendet.

A fürchtete, dass P ohne therapeutische Unterstützung in sein altes, destruktiv- toxisches Verhalten zurückfallen würde.  Jetzt, wo es ihnen nach Jahren, in denen sie unter P’s Verhalten gelitten hatte, endlich richtig gut ging.

Aber P war stabil! Weder begann er, wieder zu trinken, noch bekam er Wutanfälle und erpresste A oder die Kinder. A war so glücklich wie zu Beginn ihrer Ehe.

Unglücklich trotz Therapieerfolg

Doch dieses neue Glück hielt nicht lange an. A wurde zunehmend unzufrieden. So lange hatte sie um ihre Ehe gekämpft; und endlich, nach all den Jahren, hatte sie den liebevollen, zugewandten Partner zurückgewonnen.

Woher kam nur ihre Unzufriedenheit? A wusste es nicht. Vielleicht war zu viel Zeit vergangen, in denen das Eheleben getaktet war durch Therapietermine. Vielleicht hatte sie sich verändert und sie und P passten nicht mehr zusammen. Vielleicht war sie nicht mehr beziehungsfähig nach all den Jahren.

Was auch immer es war, A fühlte sich immer mehr eingeengt in ihrer Ehe. Sie wusste nicht, ob sie ihren Mann noch liebte. Ihr stiessen immer mehr Kleinigkeiten auf an P, die sie gewaltig störten. Sie sprach mit P über ihre Gefühle. P war traurig und schlug vor, die Paartherapie wieder aufzunehmen. Aber  das lehnte A ab;  sie war therapiemüde. – Die Beziehung lief so vor sich hin wie viele andere auch, irgendwie leer. Es gab keine Zärtlichkeit, keinen Sex, keine Freuden, keinen Streit, immer weniger Gespräche; nur gleichgültige gemeinsame Unternehmungen. Nach aussen war alles perfekt.

Nach eineinhalb Jahren beschloss A, sich von P zu trennen. Sie zog mit den Töchtern aus und reichte die Scheidung ein.

Ist die Beziehung zu retten?
Kein Paar mehr

System Familie

Dass Beziehungen nach einer geglückten Therapie in die Brüche gehen, ist nicht so selten, wie man annehmen könnte.

Jedes Paar, jede Familie bildet ein eigenes  in sich geschlossenes System, in dem die einzelnen Glieder in klar strukturierten, festgelegten Beziehungen zueinander stehen. Die Struktur eines Familiensystems bildet sich zu Beginn der Beziehung.

Im Fall von A und P  hat P in der jahrelangen Therapie offensichtlich seine Probleme so bearbeitet, dass es zu einer tiefgreifenden Wandlung kam.

Dadurch verschob sich das ganze Familiensystem, in dem jeder der vier Familienmitglieder seinen angestammten Platz hatte.  P konnte nicht an seinen alten Platz zurück; er musste sich einen neuen schaffen. Und genau dadurch geriet das ganze System ins Wanken.

Stell dir ein Haus vor, an dem man einen Eckbalken wegnimmt und irgendwo anders einfügt.  Das Haus steht schief, die Wände bekommen Risse, das Dach verzieht sich; und es ist nur eine Frage der Zeit, wann das Gebäude einstürzt.

Aber war P denn nicht in seine frühere Rolle als liebevoller Partner und Vater zurückgekehrt; in die Rolle, die er in den ersten Ehejahren gehabt hatte?

Nur scheinbar. Diese Rolle war wie eine Verkleidung gewesen für den Mann, der P gern sein wollte. Aber hinter dieser Verkleidung war er der traumatisierte, gestörte Mensch, als der er sich dann entpuppte. Und obwohl A diese Verkleidung nicht wahrnahm, hatte sie sich genau solch einen Menschen als Partner ausgesucht. P und A bildeten eine perfekte Kollusion.

Dann wurde das erste Kind geboren; das Familiensystem  musste sich neu sortieren; jeder der nun drei Glieder einen neuen Platz einnehmen. Das bedeutet immer, für jede Beziehung eine Krise! Wenn die Rollen neu verteilt werden, zerbrechen viele Ehen. Dass P in dieser Phase seine Schein-Rolle nicht aufrecht erhalten konnte, ist typisch. A dagegen fand ohne Schwierigkeiten ihren neuen Platz.

Nach der Therapie suchte P einen neuen Platz im System. Dadurch mussten die anderen Familienmitglieder ebenfalls einen neuen Platz suchen. A gelang das nicht, sie wurde zunehmend unzufrieden.

In der kollusiven Beziehung mit P hatte sie – unabhängig von ihrem Unglück darüber – einen oder auch mehrere Vorteile von seiner Störung gehabt. Vielleicht genoss A die Rolle der starken Frau, und ist nicht für eine Partnerschaft auf Augenhöhe geschaffen. Oder vielleicht genoss sie es, wegen ihres schweren Schicksals von anderen bewundert oder bemitleidet zu werden. Vielleicht genoss sie es, allein die Verantwortung für die Erziehung der Kinder zu tragen und stellt nun fest, dass sie nicht gewillt ist, diese Aufgabe zu teilen.

Und wenn A diese unbewussten Rollen therapeutisch bearbeitet hätte; oder das neue Familiensystem in einer weiteren Paartherapie bearbeitet worden wäre, hätte das die Ehe gerettet, das System geheilt?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Tatsache ist, dass jede Beziehung, in der einer der Partner oder auch beide an einer tiefen Störung leiden, massiv gefährdet ist, wenn diese Störung oder Krankheit behoben wird.  Egal, ob diese Störung sich als Alkoholismus oder narzisstische Störung äussert, oder ob es um eine schwere chronische oder psychische Erkrankung geht. Ein Mensch, der einen Partner mit einer solchen Veranlagung wählt, profitiert in irgendeiner Form von dieser Veranlagung.*

*Das ist auch der Hintergrund von Aussagen: „Schau auf deine eigenen Anteile“. Aber Achtung! Dieses „Schauen auf die eigenen Anteile“ ist allerdings NIE der erste Schritt in toxischen und emotional und oder physisch gewalttätigen Beziehungen! Sondern erst der allerletzte!

Bist du in einer vergleichbaren Situation wie A? Hat dein Partner erfolgreich eine Therapie durchgeführt? Dann solltest du dich fragen: Was hattest du durch die Erkrankung oder Störung deines Partners für Vorteile, die durch seine Heilung wegfallen? Was bedeutet das für dich?

Wenn du Unterstützung bei der Klärung dieser u.a. Fragen brauchst, stehe  ich dir gerne zur Verfügung: Schau dich hier um

Kennst du meinen Beziehungsratgeber für Hochsensible? Für Hochsensible haben Liebe und Gefühle im allgemeinen und die Paarbeziehung meist einen anderen Stellenwert im Leben als für viele neurotypische Menschen.

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