Liebe auf Distanz – Geschichte einer Beziehung

Liebe ja, Zusammen sein nein
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Jutta AdministratorKeymaster
Mein Name ist Jutta Jorzik-Oels, als Berater und Coach bin ich spezialisiert auf Hochsensibilität. Ich helfe hochsensiblen Menschen in Krisensituationen.

Ist Liebe auf Distanz möglich?
Hier nehme ich das Ergebnis vorweg:
Jemanden zu lieben, heisst nicht, mit ihm in einer Beziehung leben zu müssen.

Liebe auf Distanz – darunter versteht man im allgemeinen Fernbeziehungen. Davon ist hier nicht die Rede! Man kann tiefe Liebe zu einem Menschen empfinden, ohne mit ihm eine Beziehung zu führen.

Geschichte einer Liebe

Tanja und Heinrich lieben sich aufrichtig. Sie können wunderbar über alles reden, haben die gleiche Weltanschauung und nahezu die selben politischen Einstellungen. Sie sind überzeugt, den Lebenspartner im anderen gefunden zu haben. Beide wünschen sich, das Leben miteinander zu verbringen und gemeinsam alt zu werden.

Das Paar bezieht eine gemeinsame Wohnung.

Die Beziehung im Alltag

Bereits beim Einzug gibt es Auseinandersetzungen, denn Heinrich und Tanja haben sehr unterschiedliche Einrichtungsstile. Tanja will auf gar keinen Fall Heinrichs anthtrazitfarbene Sofagruppe und den Glastisch im Wohnzimmer haben; Heinrich ist entsetzt, dass Tanja den alten Küchenschrank von ihrer Grossmutter mitschleppen will. Nach einem heftigen Streit einigen sich beide, dass jeder auf die Lieblingsstücke verzichtet, die dem anderen so ein Dorn im Auge sind. Weder die dunkle Sitzgruppe noch der antike Schrank kommen mit. Aber die Suche nach entsprechenden Möbeln, die beiden gefallen, ist zermürbend – zu unterschiedlich sind die Geschmäcker. Die beiden schliessen beim Neukauf Kompromisse, die keinem gefallen.

Heinrich und Tanja hatten sich so sehr auf das Zusammenleben gefreut, nun wollen sie die Harmonie nicht durch solche Äusserlichkeiten zerstören lassen.

Aber es tauchen neue Probleme auf. So sehr die Partner seelisch harmonieren, desto unterschiedlicher ist ihr Alltag. Tanja ist ein Nachtmensch; geht spät ins Bett und hört gern vor dem Einschlafen Opernarien. Heinrich ist Frühaufsteher und geht mit den Hühnern ins Bett. Mit Opern kann er nichts anfangen, und  von der Musik wird der hochsensible Mann wach und kann nicht mehr einschlafen.
Heinrich ist unordentlich, eigentlich schon schlampig, was Tanja nicht erträgt. Sie meint, wahnsinnig zu werden, wenn beim Frühstück jeden Morgen der ganze Tisch völlig von Brotkrümeln  bedeckt ist. – Nach der Arbeit möchte Heinrich reden und sich über die Arbeit austauschen; Tanja braucht erst mal einige Stunden Ruhe.

Die beiden reiben sich immer mehr auf im Alltag. Sie bemühen sich, nicht zu streiten; beide pflegen eine gewaltfreie Kommunikation. Jeder überlegt, was er an sich ändern kann, um sich die Angewohnheiten des Partners nicht zu Herzen zu nehmen.

 

Paar
Hält die Beziehung?

Hält die Liebe?

Es handelt sich ja nur um Angewohnheiten; mit ihrer Beziehung hat das ja  nichts zu tun!

So vergeht ein Jahr; mit sehr vielen Zugeständnissen auf beiden Seiten; alles der Beziehung zuliebe. Keiner will sich eingestehen, dass das Zusammenleben mit dem geliebten Menschen nicht funktioniert. Die wunderbaren Gespräche und gemeinsame Unternehmungen werden weniger. Heinrich und Tanja fangen an, sich zu Hause gegenseitig aus dem Weg zu gehen.

Dann steht die Planung des  Sommerurlaub an. Schon vor Monaten haben beide ihren vierwöchigen Sommerurlaub mit ihren Arbeitgebern synchronisiert. Es soll ihr erster gemeinsamer Urlaub werden! Beim Abendessen in einem schönen Restaurant wollen sie gemeinsam planen.

Der Abend endet mit einem Fiasko, ihre Vorstellungen von Urlaub lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Zu Kompromissen, bei denen jeder auf viel verzichtet, ist keiner der beiden mehr bereit.

Am nächsten Tag geht Tanja auf Wohnungssuche.  Und sucht auf digitalen Flohmärkten schon mal nach Grossmutters Küchenschränken.
Als sie auszieht, spürt sie trotz ihrer Trauer nur noch Erleichterung. Auch Heinrich muss vor sich selbst zugeben, dass er im Grunde maßlos erleichtert ist, die Wohnung für sich zu haben und nicht mehr ständig Rücksicht nehmen zu müssen.

Neustart

Zwei Wochen später treffen Tanja und Heinrich sich in ihrem Lieblingscafe. Sie geniessen das Zusammensein, gehen anschliessend am See spazieren, Hand in Hand. Jetzt, wo die störenden Alltagsgewohnheiten nicht mehr zwischen ihnen stehen, ist sofort die alte Vertrautheit und Nähe wieder da.

In den nächsten Wochen verbringen sie viel Zeit miteinander. Reden, reden, reden – über sich, über ihre Beziehung, ihre Liebe füreinander. Und sie nehmen ihre Liebesbeziehung wieder auf.

Fast ist es wie zu Beginn ihrer Beziehung. Nur mit dem Unterschied, dass sie nun nicht mehr von einem gemeinsamen Leben träumen.

Eine Zeitlang ist alles gut. Aber nach und nach wächst bei Heinrich die Unzufriedenheit, denn sein Kinderwunsch lässt sich nicht mehr unterdrücken. Er hatte sich sehnlichst mit Tanja Kinder gewünscht. Aber ein Kind zu planen, dessen Eltern nicht als Familie zusammen leben würde, kommt für ihn überhaupt nicht in Frage.

Ganz allmählich beginnt Heinrich sich zurückziehen. Tanja kommt das gar nicht so ungelegen, denn sie möchte sich beruflich verändern, was unweigerlich einen Umzug in eine weiter entfernte Stadt bedeuten würde.
Wie soll es dann mit der Beziehung weitergehen?

 

Neuorientierung

Umorientierung

Heinrich beginnt, sich mit einer Kollegin zu treffen, die ihm schon seit längerem deutlich zeigt, wie interessiert sie an ihm ist. Diese Frau, Beate, verliebt sich zunehmend in Heinrich. Heinrich fühlt sich sehr zu Beate hingezogen, aber er zögert; zu tief ist seine Liebe zu Tanja und seine Bindung an sie.

Tanja dagegen entfernt sich innerlich immer weiter von Heinrich und bekommt von der sich anbahnenden Beziehung zwischen Heinrich und Beate gar nichts mit. Sie verwendet viel Zeit darauf, interessante Arbeitsangebote zu suchen und sich zu bewerben. Der Frage, wie es bei einem Umzug mit Heinrich weitergeht, weicht sie aus. Eine Bewerbung ist ja noch nicht verbindlich!

Derweil tastet Beate sich vorsichtig weiter vor. Sie ist ernsthaft verliebt in Heinrich, weiss aber recht wenig darüber, was für Wünsche, Vorstellungen und Ziele er hat. Sie spricht mit ihm viel über ihre eigenen Hoffnungen und Wünsche. Als sie von ihrem Kinderwunsch spricht, ist es um Heinrich geschehen. Er beginnt eine Beziehung mit Beate.

Tanja ist bestürzt, als Heinrich ihr davon berichtet. Zum ersten Mal kommen ihr Zweifel, ob sie mit ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung übereilt gehandelt hat. Sie liebt Heinrich nach wie vor. Eine Beziehung mit einem anderen Mann ist unvorstellbar! Für sie hat es immer nur Heinrich gegeben. Und ja, sie wollte gemeinsame Kinder mit ihm – nur jetzt noch nicht.

Heinrich seinerseits reagiert sehr betroffen auf Tanjas Bestürzung. Auch er liebt Tanja immer noch – Trotz der aufkeimenden Liebe zu Beate hat er sich nie von Tanja entliebt. Er fühlt Schuldgefühle sowohl Tanja als auch Beate gegenüber.

Als ob die beiden es verabredet hätten, gehen sie für einige Wochen auf Abstand. Auch von Beate distanziert Heinrich sich etwas und sagt ihr, dass er noch Zeit braucht.

Eine weitreichende Entscheidung

Dann erhält Tanja ein Stellenangebot in Seattle, das ihre kühnsten Erwartungen übertrifft. So eine berufliche Chance bekommt man nur einmal im Leben! Sie besinnt sich einen Tag und sagt zu. Schon drei Wochen später soll sie die neue Stelle antreten.

Damit ist die Entscheidung getroffen. Sie wird für unbestimmte Zeit in die USA ziehen; die Beziehung mit Heinrich ist damit endgültig beendet. Das schmerzt sie sehr; tatsächlich tröstet es sie, dass Heinrich eine Neue hat. Tanja stellt fest, dass ihre tiefe Liebe zu Heinrich ohne jedes Besitzdenken ist; sie spürt nicht die geringste Eifersucht auf Beate. Im Genteil ist es ihr ein Trost, dass Heinrichs Hoffnung auf ein Familienleben mit Kindern nun eine Chance auf Erfüllung bekommt.

Als Heinrich von Tanjas Entschluss erfährt, geht es ihm nicht anders. Er freut sich sehr für Tanja, auch wenn die Vorstellung, sie lange Zeit nicht mehr zu sehen, das Herz zerreissen will. Aber er spürt auch grosse Erleichterung, dass er nun wirklich frei ist für Beate.

 

die Wege trennen sich

 

Und wie weiter?

Heinrich gründete mit Beate eine Familie und lebte mit ihr und zwei Kindern in einer glücklichen Beziehung.

Tanja fühlte sich über die Maßen wohl in Seattle und dachte nicht mehr an eine Rückkehr nach Deutschland. Nach einigen Jahren verliebte sie sich in einen Mann, der ganz anders war als Heinrich. Sie zog mit ihm in eine gemeinsame Wohnung; das Zusammenleben war sehr harmonisch. Kinder bekam das Paar nicht. Tanja hatte ihren Kinderwunsch längst aufgegeben; Kinder hätten gar nicht in ihr Leben gepasst.

Die Liebe bleibt

Tanja und Heinrich lebten völlig unterschiedliche Leben in verschiedenen Ländern. Beide waren glücklich mit ihrem Leben; keiner der beiden hätte anders leben wollen.

Dennoch dachte Tanja oft an Heinrich; in ihren Gedanken nahm er viel Raum ein. Und ebenso dachte Heinrich sehr häufig an Tanja.  Nach einigen Jahren nahm Tanja während eines Besuchs in Deutschland Kontakt zu Heinrich auf. Heinrich freute sich sehr und lud Tanja zu sich nach Hause ein; ein Treffen mit ihr allein wollte er vermeiden. So besuchte Tanja ihn und seine Familie. Der Besuch war für alle Beteiligten eine positive Erfahrung, auch Beates anfängliche Sorge legte sich rasch.
Seitdem trafen Heinrich und Tanja sich jedes Jahr, wenn Tanja auf Verwandtenbesuch in Deutschland war.

Die sehr unterschiedlichen Lebensstile sowie die zeitliche Distanz zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit machte den beiden das Eingeständnis leicht, dass sie noch immer tiefe Liebe füreinander empfanden. Sie sprachen nicht miteinander darüber, das war auch nicht nötig. Immer wenn sie sich trafen, spürten beide die tiefe Verbundenheit zueinander und die Gefühle des anderen.

Keiner der beiden hatte den Wunsch, die Paarbeziehung wieder aufleben zu lassen. Je mehr Jahre vergingen, desto klarer wurde es beiden, dass diese Liebe unverbrüchlich zu ihnen gehörte; dass diese Liebe völlig unabhängig bestand von ihren Lebenswegen.

Heinrich und Tanja waren dankbar dafür, dass es diese Liebe in ihrem Leben gab.

 

Sonnenblume
Blütenblätter

Fazit

Diese Liebe auf Distanz, ohne Beziehung im Alltag, ist keineswegs selten. Besonders an der Geschichte von Tanja und Heinrich ist, dass sie nach ihrer Trennung über Jahrzehnte miteinander in Kontakt sind.
Häufiger ist es so, dass die Liebenden sich aus den Augen verlieren und nicht wissen, ob die Liebe im anderen ebenso weiterlebt.
Bei manchen dieser getrennten Liebenden besteht eine telepathische Beziehung, ohne dass es äussere Kontakte gibt.

Wenn du ein solcher Liebender auf Distanz bist: Nimm diese Liebe als Geschenk. Diese Liebe ist in gewisser Weise näher an der bedingungslosen universellen Liebe als die liebe zu einem Beziehungspartner, die durch den Alltag getrübt werden kann.

Und wenn du mehrere Menschen auf diese Weise liebst, ist das wunderbar! Es gibt nicht nur den einen möglichen Partner.

Die Geschichte von Heinrich und Tanja zeigt, dass es sehr wohl möglich ist, in einer klassischen monogamen Beziehung zu leben und doch andere mögliche Partner ebenso zu lieben.

Herzblatt

Meine Grossmutter nannte mich als Kind „mein Herzblatt“. Ich muss sie wohl nach der Bedeutung gefragt haben, denn ich erinnere mich genau an ihre Erklärung: Sie sagte, dass Herz ist wie eine schöne Blume mit ganz vielen Blütenblättern, den Herzblättern. Und jedes Herzblatt steht für einen geliebten Menschen. Jeder der Enkel, Kinder, Schwestern und des längst verstorbenen Mannes meiner Oma bildeten ein grosses Herzblatt; und für die unzähligen Cousinen, Nichten, Neffen und Schwiegerkinder gab es kleinere Herzblättchen.

Ich liebe dieses Bild. Manchmal stelle ich mir mein Herz vor wie eine Sonnenblume mit einer goldenen Mitte und unzähligen Blütenblättern. Immer, wenn ein neuer Mensch in mein Leben tritt, kommt ein neues Blüten-Herzblatt hinzu. Und je mehr Herzblätter dazukommen, desto schöner und strahlender wird mein Herz.

Wenn du der Liebe wegen Rat und Hilfestellung brauchst, sieh dir hier mein Angebot  an.

Viele Tipps findest du auch in meinem Beziehungsratgeber für Hochsensible:

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