Hochsensibel – oder doch Asperger?

ein buntes Blatt fällt ins Auge
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Jutta AdministratorKeymaster
Mein Name ist Jutta Jorzik-Oels, als Berater und Coach bin ich spezialisiert auf Hochsensibilität. Ich helfe hochsensiblen Menschen in Krisensituationen.

Manchmal ist man ja betriebsblind. So ging es mir lange Zeit mit dem Thema „Paarbeziehungen zwischen Hochsensiblen und Aspergern“. Hochsensible und Paarbeziehungen sind ja einer meiner Schwerpunkte; auch war mir durchaus bekannt, dass Beziehungen zwischen Aspis und HSM sehr häufig sind. In den bereits erschienenen Artikeln Hochsensibilität und Paarbeziehung wird allerdings die Beziehung zu Aspis kaum erwähnt, stattdessen ging es sehr viel mehr um die Beziehungen zu Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung.

 

Eine Persönlichkeitsstörung ist, jetzt mal ganz platt gesagt, eine Fehlentwicklung bei einem gesunden Menschen ab der Pubertät oder früher bei demjenigen Teils der Persönlichkeit, die man als  Charakter bezeichnet. Noch vor vielleicht 40 Jahren nannte man diese Art Persönlichkeitsstörungen deshalb auch Charakterschwäche.

 

Das Aspergersyndrom

Asperger gilt als frühkindliche Entwicklungsstörung. Es handelt sich genau wie bei Hochsensibilität um eine neuronale Variante.

Im Gegensatz zu Hochsensibilität gilt Asperger allerdings als Krankheit; ist offiziell im internationalen Katalog der Diagnosen mit der Bezeichnung ICD 10 vertreten; – auch wenn eine Entwicklungsstörung keine Krankheit in dem Sinne ist.

Asperger ist ein Syndrom, was bedeutet, es wird diagnostiziert, wenn von xxx Symptomen xx vorhanden sind. Das heisst aber auch, es ist ein Spektrum, nicht jeder Aspi hat alle Symptome; wie es nicht „den“ Hochsensiblen gibt, gibt es auch nicht „den“ Aspi. Und: Asperger hat man nicht, sondern man ist.

Eine weitere Übereinstimmung mit HS ist: Asperger ist ebenfalls erblich, es tritt sehr gehäuft in manchen Familien auf.

 

 

Vielleicht geniesst die junge Frau ihr Alleinsein.
Introvertiert, hochsensibel, oder einsam?

 

Tatsächlich gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen HSM und Aspis. Handelt es sich beim Asperger Syndrom wirklich um eine Entwicklungsstörung? Von vielen Aspis wird das verneint. Sie kommen wunderbar im Leben zurecht. Allerdings benötigen sie doch in den allermeisten Fällen bestimmte Strukturen am Arbeitsplatz, um gut zurechtzukommen. Und ich wage zu behaupten: Die Aspis, die gut im Leben zurechtkommen und sich nicht als behindert empfinden, sind alle hochbegabt.

 

Normalsensible bzw. Neurotypen

Ganz normale Menschen, die etwas unterdurchschnittlich intelligent sind, können in aller Regel ohne weiteres einem gelernten Beruf nachgehen und ein völlig selbständiges Leben führen. Das  trifft das auf Aspis mit gerade durchschnittlicher Intelligenz nicht zu: Sie scheitern am Alltag und brauchen betreutes Wohnen und betreute Arbeitsplätze in betreuten Werkstätten. Insofern neige ich zu der Ansicht: Ja, Asperger ist eine mehr oder weniger schwere Entwicklungsstörung, deren Wirkung aber häufig durch hohe Intelligenz ausgeglichen wird.

Obwohl Hans Asperger das Syndrom, das seinen Namen trägt, erstmalig 1944 beschrieb, wurde davon recht wenig Notiz genommen, im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus, der nur wenige Jahre zuvor von Leo Kanner beschrieben wurde.

In das psychologische Interesse durch neue Diagnoseverfahren rückte das Asperger Syndrom erst gegen Mitte der 90er Jahre – zur selben Zeit wie Hochsensibilität. (- O Gott, hoffentlich wird unsereiner  nicht in 20 Jahren  Aron genannt! -)

Das bedeutet, es gibt sehr viele Aspis, die heute 40, 50, und mehr Jahre zählen, die niemals diagnostiziert wurden, da sie wegen ihrer hohen Begabung nie Probleme gemacht haben. Ja, ich sage bewusst: Probleme gemacht haben.Das heisst keineswegs, dass sie keine gehabt hätten. – Und die nicht so gut begabten Aspis im selben Alter? Ich bin überzeugt davon, wenn man heute alle Lernbehinderten und Minderbegabten im entsprechenden Alter, die auf Sonderschulen und später in Behindertenwerkstätten landeten, daraufhin testen würde, dann würde man feststellen, dass der Prozentsatz der Bevölkerung an Aspergern keineswegs zugenommen hat, sondern bloss früher eben nicht erkannt hat.

 

Das Wrong Planet Syndrom

Denn obwohl das Asperger Syndrom zum autistischen Formenkreis gehört, sind Aspis nicht so, wie man sich Autisten vorstellt. Sie gelten oft als Sonderlinge; aber niemand, der nicht „vom Fach“ ist, würde einen Aspi für einen Autisten halten – makabererweise oft am wenigsten die Menschen, die beruflich viel mit geistigbehinderten Kannerautisten zu tun haben. So ist eine der bekanntesten Eigenschaften – oder Vorurteile? – über  Autisten, die Unfähigkeit, Kontakt zu anderen aufzunehmen sowie die Unfähigkeit, Menschen anzusehen. Das trifft auf Aspis gar nicht zu. Im Gegenteil gibt es Aspis, die ohne Unterschied beinahe distanzlos zu jedem Kontakt aufnehmen und überhaupt keine Probleme damit haben, anderen in die Augen zu schauen. Trotzdem gilt: Das Problem, das alle Aspis haben (- oder vielleicht muss man sagen: Das Problem, was die anderen mit Aspis haben -) sind immer soziale Beziehungen. Die Art, wie Beziehungen jedweder Art gepflegt und gelebt werden, welche Rolle sie im Leben einnehmen, ist bei Aspergern anders. Anders als bei Neurotypen. Und anders als bei Hochsensiblen. Dasselbe gilt für Kommunikation.

Man nennt das Asperger Syndrom auch „Wrong PlanetSyndrom“; sehr treffend. Und HSM? Die sagen nicht unbedingt, dass sie hier auf dem falschen Planeten sind, sondern, sie kommen von einem anderen Planeten.

Kein Wunder- auch HSM leben ihre Beziehungen anders, kommunizieren anders. Anders als Neurotypen. Aber auch anders als Asperger.

Ergänzend ist hier unbedingt hinzuzufügen, dass sich Asperger bei Frauen meistens noch mal ganz anders zeigt als bei Männern, und als sehr viel schwerer zu diagnostizieren gilt.

 

Paar geniesst die Ruhe am See
ein Paar

 

Asperger und Paarbeziehung

Viele Aspis sehen sich selbst als nicht beziehungsfähig. Manche wollen nicht mit einem Menschen eine so enge Bindung eingehen, in der man zusammen wohnt.

Viele Aspis sehnen sich nach einer eigenen Familie. Aber das Zusammenleben von Aspis und NT, wie sie liebevoll spöttisch Neurotypen nennen – ist ein Minenfeld, das häufig schnell zur Trennung führt.

Also suchen Aspis in aller Regel Aspis als Partner oder noch lieber….. – ich muss es nicht schreiben, ihr kennt die Antwort, nicht wahr?

 

Hochsensible und Asperger

können sich sehr gut ergänzen – wenn jeder die diametral entgegengesetzte Denkweise des anderen sowie dessen vollkommen andere Gefühlswelt akzeptiert. Für den HSM ist das Zusammenleben mit einem Aspi in vieler Hinsicht sogar einfacher als mit einem anderen Nicht-HSM: Der Aspi lässt ihn, wie er ist, lässt ihm Freiraum, Ruhe, sein eigenes Leben, und versteht all die Merkwürdigkeiten- ob das nun Ekel vor bestimmten haptischen Eindrücken ist oder sonst was. Viele HSM haben einige oder viele autistische Züge, die Normalsensiblen so seltsam vorkommen, dass es sich wunderbar anfühlt, sich mal nicht erklären zu müssen. Und Aspis sind in einigen Sinnesbereichen hochsensibel, so dass auch in diesem Punkt oft wunderbare Übereinkunft besteht.

Ein gewisses Problem liegt darin, dass es leider recht häufig ist, dass Aspis, die nicht als Kinder diagnostiziert wurden durch fehlendes Verständnis in ihrer Umgebung Persönlichkeitsstörungen entwickeln. Dabei können sehr schwierige Konstellationen entstehen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beziehung.

Aber ich habe Anlass zu der Vermutung, dass es ungezählte Paare bei den Generationen ü 40 gibt, in denen ein HSM und ein Aspi glücklich oder auch weniger glücklich zusammenleben, ohne dass beide sich überhaupt bewusst sind über die eigene und des Partners neuronale Variante.

Ist das denn nicht wunderbar? Wo ist das Problem?

Ich komme zurück zum Anfang des Artikels: Ich war lange betriebsblind.

Hochsensibilität ist erblich. Nicht jedes Kind eines HSM ist ebenfalls HS, oft wird auch mindestens eine Generation übersprungen. Oft ist nur eins von mehreren Geschwistern HS, aber oft auch alle.

Asperger ist ebenfalls erblich.

Paare bekommen Kinder.

Und die Kinder mit einem Asperger-Elternteil und einem Hochsensiblen Elternteil sind?

 

Hochsensibler Elternteil plus Asperger Elternteil ergibt…..

 

Sie könnten hochsensibel sein. Sie könnten Asperger sein.

Aber – kann es sein, dass zumindest einige dieser vielen, vielen Kinder (und längst erwachsenen Nachkommen) weder noch sind, sondern eine dritte neuronale Variante?

Dass es Menschen gibt, die sowohl HS als auch Asperger sind?

Ich höre schon die Leser rufen: Ja und? Was soll das? Lass doch das Schubladendenken, hör auf damit, die Menschen irgendwo reinstecken zu wollen!

Denn, wenn meine Hypothese stimmt: dass es Menschen gibt, die sowohl HS als auch Aspi sind, dann sind das Menschen, die in keines der Schemata passen und in allen entsprechenden Tests negativ abschneiden.

Denn obwohl Asperger in vielen Sinnesbereichen so intensive Wahrnehmungen haben, dass man sie als hochsensibel bezeichnet (- und hier stosse ich wieder auf mein Problem mit dem Begriff der Hochsensibilität -), nehmen sie eben doch anders wahr. Verarbeiten und denken anders. Fühlen anders.

Der HSM sieht und erlebt das Ganze. Fühlt sich mit der ganzen Welt verbunden. Jeder Gedanke, jede Wahrnehmung wird sofort mit unzähligen anderen Wahrnehmungen, Gedanken vernetzt. Deshalb haben sie oft Probleme, bei der Sache zu bleiben, oder sich zu konzentrieren.

Aspis fokussieren. Denken von A nach B. So konsequent, dass sie grosse Probleme haben, Unterhaltungen mit mehreren Strängen zu folgen, oder komplizierte Arbeitsanweisungen zu verstehen. Immer nur eins auf einmal, bitte!

* Sowohl bei Hochsensiblen als auch bei Aspergern werden häufig  Konzentrationsschwierigkeiten diagnostiziert, was leider sehr häufig zu der Diagnose ADHS führt. Zumindest Asperger können sich jedoch meist sogar sehr gut konzentrieren; die Ursache liegt woanders: In Schule und Berufsleben ist es normal, dass man eine Liste mit Aufgaben bekommt: „Wenn du Aufgabe a) erledigt hast, dann……“.  – Diese Art von Aufgabenstellung ist für Asperger nicht zu bewältigen. Sie müssen erst die eine Aufgabe erledigt haben, bevor man ihnen die nächste stellen kann.

Bei Hochsensiblen ist es genau entgegengesetzt: Schon die erste Aufgabenstellung führt zu ganz neuen Gesichtspunkten und eröffnet neue Perspektiven, es bieten sich viele verschiedene Lösungen und Möglichkeiten an. Da fällt es oft schwer, sich zu entscheiden: Womit fängt man an? Ist die Entscheidung gefallen, kommen bei der Bearbeitung wieder neue Aspekte hinzu. So ist für den HSM die grösste Schwierigkeit, sich nicht zu verzetteln.

Gemeinsam ist Hochsensiblen und Aspergern  eine hohe Empfindlichkeit in  bestimmten Sinnesbereichen (vermutlich ist diese bei Aspergern noch sehr viel höher als bei HSM). Das kann bei beiden zu echten Konzentrationsproblemen führen; beispielsweise ein tropfender Wasserhahn oder eine flackernde oder summende Leuchtstoffröhre im Klassenraum, die ein Normalsensibler kaum bemerkt, kann sowohl einen Hochsensiblen als auch einen Asperger sehr effektiv vom Arbeiten abhalten bzw. zum Ausrasten bringen.

 

Apfel, Birne oder Birnapfel?

Wie könnte man sich nun einen Menschen vorstellen, der sowohl HSM als auch Aspi Anteile in sich trägt?

Wie bereits erwähnt, gibt es sehr viele HSM, die so viele autistische Züge haben, dass sie sich selbst als Grenzautisten bezeichnen. Das können beispielsweise sehr extreme Essensvorlieben sein, oder auch die starke Reaktion auf haptische Reize, die schon ins Bizarre gehen, wie das Rieseln von Wasser über die Haut. Aber all das gehört zum Spektrum von HS.

Was also ist es dann?

Mir begegnen in letzter Zeit immer häufiger zwei verschiedene Gruppen von Menschen, Erwachsene und Kinder, die ganz klar HS sind, was ihre Denkweise und Wahrnehmungsverarbeitung betrifft.

Die Menschen der einen Gruppe bezeichnen sich selbst als unfähig, tiefe Beziehungen zu Menschen einzugehen, trotz vorhandener Empathie. Verbindungen bleiben oberflächlich oder werden schnell wieder gelöst. Das steht in sehr starkem Widerspruch zu HS.

Die Menschen der anderen Gruppe gehen tiefe Beziehungen ein, haben aber massive Probleme in alltäglichen sozialen Kontakten und Kommunikationsprobleme, da sie trotz tiefen Mitgefühls für andere Lebewesen unfähig sind, Mimik und Gestik zu interpretieren. Das ist ein typisches Asperger Problem.

Es gibt wohl noch mindestens eine dritte Gruppe, wie mir berichtet wurde: Menschen, die von ihrer Denk- und Wahrnehmungsweise eindeutig Asperger sind, aber in der Verarbeitung ihrer Gefühle HS sind; sehr tiefe, dauerhafte Beziehungen eingehen, in denen sie genau so viel Nähe suchen wie HSM und auch eine ebenso ausgeprägte Empathie und Mitgefühl für andere haben wie HSM.

 

 

Der Hybrid und der Psychologe

Falls es so ist: Dass es eine dritte neuronale Variante gibt, halte ich es für sehr wichtig, das publik zu machen. Denn nachdem allmählich HS in das Blickfeld von Kinder- und Schulpsychologen rückt, sind es wohl vor allem Kinder, die massiv darunter zu leiden haben, dass sie in keine Schublade passen. Dass diese Kinder bei bestimmten Problemen und Verhaltensauffälligkeiten auf Asperger getestet werden, ist heute schon an der Tagesordnung.

Möglicherweise fallen alle oder fast alle Kinder in diese Gruppe, die eine ADHS oder ADS Diagnose erhalten und mit Methylphenidat, besser bekannt unter dem Markennamen Ritalin ruhiggestellt werden. Die Nebenwirkungen dieser Droge sind hinlänglich bekannt., allerdings ist das Mittel erst zu kurze zeit im Einsatz, dass die Langzeitwirkung erforscht ist. Nach Berichten von betroffenen Eltern setzt Methylphenidat die Sensibilität herab! – Das heisst, die wunderbaren Gaben der HS werden möglicherweise zerstört!

Allerdings erhalten generell viele hochsensible Kinder eine ADS Diagnose; aber zum Glück gibt es immer mehr Psychologen, die darauf spezialisiert sind, diesen Kindern zu helfen.

 

Kind spielt mit Blättern, egal ob neurotypisch, hochsensibel oder Asperger
Einfach nur ein Kind

Nur, die Kinder dieser dritten Variante gelten nicht als HS, vor allem aber brauchen sie ein andere Art von Hilfe.

Bis jetzt handelt es sich um eine Hypothese.

Sinn dieses Artikels ist, Aufmerksamkeit zu erzeugen für Menschen, vor allem sehr junge Menschen dieser beschriebenen abweichenden Gruppen, anzuregen zu eigenen Recherchen und zum Diskutieren.

Teilen dieses Artikels ist deshalb sehr erwünscht!

(Kommentare selbstverständlich auch.)

* Der Text hinter dem * im Abschnitt Hochsensibler Elternteil plus Asperger Elternteil ergibt….. wurde am 18.1.2018  hinzugefügt.

  • Falls du glaubst, dass du oder dein Partner zu den Betroffenen gehörst und du Probleme in der Beziehung hast, dann informiere dich über mein Beratungsangebot; HIER

Mehr zum Thema in meinem Buch:

Bewertungen zu hauptsacheherzbewegt.de

 

26 Gedanken zu „Hochsensibel – oder doch Asperger?

  1. Hallo

    Ich bin veblüft und beeindruck über diesen Artikel/Blog. Gratulation!
    Endlich bekomme ich auch eine Nische : )
    Ich bin 31 Jahre alt. Habe jetzt zwei Söhne, einer 3 jährig der kleine 7 Monate.
    Meine Annahmen wurden von keinem Fachpersonal Diagnostiziert, lediglich von meiner Recherchewut bestätigt.
    Das ich hochsensiebel bin vermute ich schon seit ca. 5h hat auch vieles erklärt. Meine enpfindlichen Reaktionen, meine ständige heulerei…. Das Gefühl „von einem abderen Planeten zu sein“ blieb jedoch ungeklärt…
    Mein Mann hat mir mal den Fernseher ausgeschaltet: Ich war bei einem Beitrag hängen geblieben darüber, wie man Gallensaft von lebendigen Bären gewinnt und mir liefen tränen über die Wangen.
    Mein Grosser scheint null Verständniss für andere zu haben, wird sehr wütend wenn seine Routine nicht eingehalten werden kann und scheint zu 90% nicht zuzuhören. Was ich bei einen dreijährigen nicht weiter bedänklich gefunden habe (für mich war sein Verhalten normal). Seit einiger Zeit stelle ich jedoch fest, dass mein kleiner mir jetzt schon ins Gesicht schaut um meine Reaktion, auf sein handeln abzuchecken.
    Ich las zufälligerweise einen Artikel über einen vermissten jungen Mann mit Aspergersyndrom, googelte nach und habe dass Gefühl, dass diese Diagnose 100% auf meine Mutter zutrifft. Meinen Biologischen Vater kenne ich nicht (stört mich auch nicht).
    Also wie kann ich HS, meine Mutter Asperger Syndrom haben und mein Grosser null Empathie?
    Durch ihren Artikel scheint das nun geklärt : )
    Danke

    1. Liebe Ella, ganz herzlichen Dank für dein Feedback! Das ist sehr wertvoll für mich, vor allem für meine Recherchen – denn mit diesem Artikel habe ich mich ziemlich weit vorgewagt, denn selbst kennengelernt und interviewt habe ich bis jetzt nur ein Handvoll Menschen, auf die das zutrifft – auch deshalb, weil Asperger als Diagnose erst seit etwa den 90er Jahren gängig ist.

    2. Hallo Ella
      Du schreibst mir aus der Seele.
      Genau so ist es bei mir, oder sehr sehr ähnlich.
      Ich bin 36 Jahre alt und zweifache Mutter. Schon als Kind merkte ich irgendwie dass ich anders ticke. Aber ich versuchte mich immer anzupassen um nicht aufzufallen. Im Teeniealter reflektierte ich mich dann stark und versuchte herauszufinden was an mir anders ist als bei Gleichaltrigen. Aber es war sehr schwer fassbar. Durch mein Beruf im Gesundheitswesen und auch durch meine Recherchewut, nachdem ich ein Burnout durch die massiven Schwierigkeiten mit meinem zweiten Kind duchlebte (dass viel weinte und nicht schlafen konnte, sich nicht selbst beruhigte und bei verändernden Situationen gleich weinte, schrie, Wutanfälle bekam und sich total blockierte) dadurch befasste ich mich mit dem Thema Hochsensibilität und merkte dass dies sehr auf mich zutrifft. Später als mein Sohn, dieses zweites Kind, schulpflichtig wurde und zwar seine Schwierigkeiten noch aufwies, aber durch unsere täglichen Bemühungen ihm durch den Alltag zu helfen, grosse Fortschritte machte, wurde er von der Schulpsychologin abgeklärt und die Vermutung zum Spektrum des Autismus kam auf. Dadurch habe ich mich mit den Symptomen der Asperger Autisten befasst und muss zugeben dass es teils auf meinen Sohn zutrifft aber noch mehr auf meine Mutter. Mein leiblichen Vater habe ich erst mit 13 kennengelernt, und ich kenne ihn nach wie vor zuwenig um ihn einordnen zu können, ob er auch Auffälligkeiten aufweist…
      Meine Erstgeborene, also mein Mädel hat auch Bewegungsschwierigkeiten, sie war bis 8 jährig sehr unselbständig und ist schnell überfordert bei unbekannten neuen Situationen, so dass sie viel weint, sich selbst blockiert und sich nichts zutraut.
      Mein Mann ist schon auch sensibeler als andere Männer, aber ich könnte ihn jetzt nicht definitiv einordnen bei einer dieser mentalen auffälligen Gruppierungen. Er hat wohl Legasthenie und dadurch schon eine andere Wahrnehmung und Schwierigkeiten im Alltag. Mein Bruder war als Kind sehr auffällig dass er bei Menschenansammlungen und in Geschäfter geweint hat bis er wieder draussen war. Er ist sehr Geruchsempfindlich, aber später hatte er viele Freunde und ist nun fast ei Adrenalinjunkie der viel unternimmt und auch viel unter Leuten ist, ganz im Gegensatz zu mir, denn ich habe gerne Ruhe und suche nur im kleinen Rahmen gesellschaftliche Aktivitäten. Habe einzelne wenige Freundschaften die ich zwar geniesse sporadisch, aber es fällt mir schwer diese im normalen gesellschaftlichen Rahmen zu pflegen und aufrecht zu erhalten.
      Leider gibt es nicht viel Fachpersonal die einem helfen in der besagten Thematik. Für mich selbst habe ich niemand gefunden der mich richtig erfasst hätte und mir Hilfestellung hätte geben können. Leider…

      1. Hallo,
        ganz herzlichen Dank für Deinen Bericht! Ja, es gibt wirklich noch sehr viel zu erforschen.

        Liebe Grüsse, Jutta

  2. Wie es mir ergeht?

    Ich bin schon immer sehr Technisch orientiert gewesen, keine so tun als ob Spiele usw. ….. asperger typisch halt. Fand in der Schule Geometrie und Algebra super, alles andere doof. Bei jedem Diktat wollte ich tausend Tode sterben. Hatte, wenn es darum ging über ein selbst ausgewähltes thema zu referieren, riesen spass am recherchieren, versagte grammatikalisch total und beim vortragen sind alle eingeschlafen ; )
    Bin gelernter Automechaniker, schraube jetzt Medizinische geräte zusammen. In der Männerwelt werde ich einfach als sehr pragmatische Frau wahrgenommen.
    Privat bin ich seit ca. 15 Jahren mit meinem Mann zusammen und habe ein paar Freund und Bekannte. Ich kann auf fremde zugehen und höflich sein, dass habe ich mir abgeschaut. Neue Freundschaften möchte ich nicht schliessen, da ich die absichten der Menschen nicht erkenne und nicht verstehe wie man, vordergründig nett sein kann es aber nicht so meint. Das verschreckt mich immernoch sehr…..

  3. Ich arbeite mich gerade mehr in das Asperger-Thema ein, nachdem eine Freundin mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Mir wurde Hochsensibilität diagnostiziert, aber nachdem ich nun einiges über Asperger gelesen habe, stimmen einige Punkte mehr damit überein als mit HS. Vor allem der Teil, wo d schreibst, dass HS sich nicht gut konzentrieren können stimmt bei mir so überhaupt nicht. Ich arbeite zum Teil stundenlang an einer Aufgabe und vergesse darüber das Essen und nehme teilweise auch nicht mehr wahr, wenn mich dann jemand anspricht. Ich bin im Moment noch ziemlich verwirrt und unsicher. Die Diagnose HS habe ich erst vor einigen Monaten bekommen und hatte mich so langsam damit angefreundet. Heute lese ich dann soviel über Asperger und nun weiß ich nicht so wirklich woran ich bin. Aber dein Artikel hat mir schon mal sehr weiter geholfen, daher, ein großes Dankeschön von mir.

    1. Hallo Tobin, danke für deinen Kommentar. – Ja, ich gewinne immer mehr Sicherheit darüber, dass es viele Menschen gibt, die eine „Mischform“ zwischen HS und Asperger sind. Sehr viele HSM haben ein ganze Reihe von Eigenschaften; man kann auch sagen Tics, die sehr befremdlich scheinen und einen eher an Autismus denken lassen. (Im folgenden Blogbeitrag – ich hoffe, er wird noch diese Woche fertig, über HSM und den idealen Partner, etwas mehr darüber). – Meist aber er halten Hochsensible fälschlicherweise eine Asperger – Diagnose, als umgekehrt. Liebe Grüsse, Jutta

  4. Liebe Jutta
    Nachdem ich im Netz etwas gesucht habe dass den Unterschied erklärt zwischen HS und Asperger, bin ich auf deine Seite gestossen und habe sie mit grossem AHA Erlebniss gelesen. Denn es ist sehr gut beschrieben und wirklich ein wichtiges Thema dass es nun auch Mischformen geben kann durch mehrere Generationen HS und Asperger Beziehungen, die sich ja gern zusammenfinden und sich wohlfühlen miteinander.
    Da ich mich durch Eigenrecherche mit beiden Themen auseinandersetzte wegen mir selbst und meinen Kindern die auffällig sind, habe ich mich immer wieder gefragt, was bin ich denn nun? HS oder Asperger? Unter was soll ich meine Kinder einordnen? Soll ich sie abklären lassen? Oder mindestens den Jungen der am Meisten im Alltag und Schule durch seine Charaktereigenschaften oder eben Wesenszügen zu kämpfen hat? Was ist mit meinen Verwandten, die sind oder waren in der Kindheit auch schon zum Teil auffällig? Was wurde da weitervererbt?
    Mit deinem Artikel hast du mir sehr geholfen und eine Nische geschaffen, in der man sich wieder erkennt und es nun weniger Verwirrung auslöst zwischen den zwei ähnlichen und doch stark unterschiedlichen Syndromen wie HS und Asperger.

    1. Hallo Tanja,
      danke auch für diesen Kommentar! – Seitdem ich auf dieses Thema gestossen bin, nehme ich auch immer häufiger Mensche wahr, auch Erwachsene, die sowohl HSM als auch Asperger zu sein scheinen. – Was Deinen Sohn betrifft, stehst Du vor einer schwierigen Entscheidung.Ich selbst würde in erster Linie das Gespräch mit dem Lehrer suchen in der Hoffnung auf individuelle Lösungen. Denn erstens gibt es meiner Erfahrung nach kaum Psychologen, die sichere Diagnosen stellen können in diesem Bereich – was vielleicht auch gar nicht möglich ist! Sogar in Autismuszentren kommt es zu Fehldiagnosen. Zweitens ist es eine bekannte Tatsache, dass es jede Menge Fehldiagnosen gibt im Zusammenhang mit Hochsensibilität. Drittens, falls Dein Sohn eine Aspergerdiagnose bekommen sollte, ob zu Recht oder Unrecht, gilt er als behindert. Das würde ich persönlich als eventuelle Hilfe höchstens dann in Betracht ziehen, wenn eine normale Beschulung und Ausbildung sonst gar nicht möglich ist.

      Ganz liebe Grüsse, Jutta

  5. Kannst du dir theoretisch vorstellen, dass ein Asperger Kind Empathie entwickelt, um eine Brücke zur Welt zu schlagen?

    1. Liebe Gwinna,
      lieben Dank für deine Frage. – Kurze Antwort: Ja. – DU benutzt das Wort „entwickeln“, das ist interessant.- Grundsätzlich gibt es verschieden Formen oder Stufen von Empathie; die Fähigkeit dazu ist angeboren. Die 1. Stufe ist kognitive Empathie, – also mit dem Verstand sich vorstellen können, was in anderen Menschen vorgeht. Genau das können Asperger trainieren. Wenn dein Kind zu den hochintelligenten Aspergern gehört, kann ich mir gut vorstellen, dass er/sie das sogar ohne therapeutische Hilfe schafft. – Emotionale Empathie dagegen kann man nicht trainieren, diese Form von Empathie haben Asperger in der Regel nicht. In der Regel? – Jetzt bewege ich mich wieder mal auf sehr dünnem Eis, ohne jeden Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Ich schrieb in dem Artikel über Menschen, die die genetische Veranlagung sowohl zu ASS als auch zu HS haben. Heute bin ich absolut sicher, dass es sehr viel mehr neurodivergente Typen gibt, welche in keine Schublade passen. ich habe mit Menschen gesprochen, die sich in jeder Hinsicht als Asperger erleben, aber emotional-empathisch sind und mehrfach bei der Diagnostik „Nicht ASS“ zu hören bekamen; als auch Menschen mit Aspergerdiagnose, teils mehrfach bestätigt, die weder von sich selbst noch von ihren Mitmenschen als Asperger wahrgenommen werden.
      Mit liebem Gruss, Jutta

  6. hallo jutta
    dass ich anders bin, habe ich schon als kind bemerkt – halt ein schwieriges kind. absolut kein verständis von der mutter, vom vater schon (von dem ich’s wohl geerbt habe …), leider keine hilfe von ihm . vor einigen jahren habe habe ich meine physische empfindlichkeit andern menschen so erklärt: wenn es im kopf einen schalter für sensibilität gibt, dann ist der bei mir auf 200, wenn der bei normalen menschen auf 100 ist … Die eigene emotionale sensibilität war mir da aber nicht wirklich bewusst, bei anderen Menschen schon … habe die trennung eines bekannten von seiner „frau-fürs-leben“ ca ein jahr im voraus erkannt, erfahren hat er das via drittperson und mich später gefragt, wieso ich das damals schon erkannt habe … für mich waren die aussagen der beiden einfach eindeutig. obwohl mit einem sehr guten sensorium für stimmungen und das verhalten für andere menschen ausgerüstet, tue ich mich mit emotionalen dingen sehr sehr schwer. einerseits belastet es mich, da ich die emotionen anderer menschen nicht filtern kann – die gehen in mich hinein und obwohl ich das nicht will. andererseits ist da meine „logikeinheit“, welche sich mit den meisten andern menschen schwer tut, da diese oft so unlogisch handeln. deshalb liebe ich technische dinge und widme mich lieber diesen und lebe deshalb seit einigen jahren ziemlich zurückgezogen (beruflich kann(muss) ich mich anpassen). da ich lange nichts von HS wusste, aber viele symtome von asperger auf mich zutrafen, habe ich einige zeit geglaubt, dass ich ich eine sonderform von aspi bin – halt einer mit empathie … mittlerweilen weiss ich dass ich ein HS, und ev. ein hs-aspi-zwitter bin – sternzeichen HS und aszendent aspi … 😉 denke, dass du mit deiner vermutung richtig liegst – deshalb bin ich auch hier gelandet …
    gruss

    1. Hallo Arpad, vielen Dank für Deinen Kommentar. – Als ich diesen Beitrag verfasste vor knapp 3 Jahren, war die Hypothese von HS-Aspi „Zwittern“ für mich eine Frage, eine Arbeitshypothese. In der Zwischenzeit haben mich so viele Briefe erreicht, dass ich keinen Zweifel mehr daran habe, dass es sehr viele solcher Menschen gibt, die in verschieden starker Ausprägung sowohl HS als auch Aspi sind.
      Herzbewegte Grüsse, Jutta

  7. Hallo Jutta,
    ich bin bei Dir gelandet, weil ich mich frage, ob und wie Aspis und HS miteinander auskommen können. Ich bin 42J. und konnte schon immer gut Dinge beobachten, erfassen, stabile tiefe Freundschaften aufbauen. Seit ich Mutter bin (jetzt 11J), bin ich noch viel sensibler als früher (va. bzl. Gerüchen, Licht, Geräuschen, aber auch zwischenmenschlichen Spannungen). Seit ich für mich weiß, wohl HSP zu sein, kann ich mit Überreizungen besser umgehen. Zu meinem 5J älteren Bruder jedoch hatte ich stets eine problematische Beziehung. Es passt nicht. Ich verstehe ihn nicht, und er wohl mich noch viel weniger. Wir lebten als Kinder nebeneinander her. Ich war überzeugt, daß Geschwister nie Freunde sein können, Geschwisterliebe fand/finde ich absurd. Er ist, nach meiner Einschätzung, ein ganz typischer Asperger, braucht Routinen, Konstanten.
    Wir sind zwei Kinder der gleichen Eltern. Sowas kann auch passieren. Ich vermute, dass unsere Eltern eher neurotypisch sind, jedoch einmal mit Tendenz Aspi, einmal mit Tendenz HS. Entsprechend verstehen wir Kinder uns auch mit dem jeweils passenden Elternteil besser.
    Dein Artikel hilft mir, zu erkennen, daß wir beide nicht viel dafür können, dass es einfach nicht gut läuft zwischen uns.

    1. Hallo Anna,
      vielen Danke für Deinen Kommentar! In Autistenforen habe ich öfter gelesen, dass in Familien ein oder mehrere Kinder hochsensibel sind und eines Asperger ist; wobei in kinderreichen Familien offensichtlich die HS-Kinder in der Mehrheit sind und die Aspergerkinder in der Minderheit. Sehr interessant ist auch Deine Beobachtung bez.Eurer Eltern, neurotypisch mit der Tendenz zu HS bezw. Aspi. Möglicherweise gibt es ja Nicht nur Neurotypen und neurodiverse Typen, sondern tatsächlich auch Übergangsformen.

      Herzbewegte Grüsse, Jutta

  8. Hallo

    Vielen Dank für deinen Artikel!!
    Ich habe mir auch bereits die selben Gedanken gemacht, aber nichts explizites darüber recherchieren können. Danke, dass du das Thema beleuchtet hast. Meine Schwester und ich gehören wohl auch zur Mischform.

    Ganz liebe Grüße

    Tanja

  9. Liebe Jutta
    Deine These ist der Hammer für mich ! Ich habe es schon etliche Male durchdacht und den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Du hast es in Worte gefasst. Ich bin mir sicher, du liegst richtig:
    Ich habe eine Asperger- und eine ADS Diagnose.
    Mit HS beschäftige ich mich seit 20 Jahren (Selbstdiagnose)
    Vielen Dank

    1. Hallo,
      vielen Dank für Deinen Kommentar!- Der Beitrag „Hochsensibel – oder doch Asperger“ ist im April 2017 erschienen; also vor gut 3,5 Jahren. Als ich ihn schrieb, fand ich die These selbst ziemlich gewagt. Seitdem recherchiere ich zu diesem Thema. Und mittlerweile habe ich überhaupt keine Zweifel, dass es so ist – habe mit vielen, vielen Menschen gesprochen, auf die das zutrifft. (Wobei ich in diesem Fall die ADS Diagnose immer in Frage stellen würde. Möglicherweise ist eine AD(H)D Diagnose im Zusammenhang mit entweder HS oder Asperger gerade deshalb eine Fehldiagnose, weil die Wissenschaft die neurodiverse Variante hochsensibel und Asperger gar nicht kennt und somit die jeweils andere Variante – also die Hochsensibilität oder Asperger – nicht berücksichtigt. Es gibt auch einen Beitrag: https://hauptsacheherzbewegt.de/adhs-fehldiagnosen/ )

      Herzbewegte Grüsse, Jutta

  10. Vielen Dank für deinen Artikel, der mich nun endlich in etwas bestätigt, was ich schon seit längerer Zeit ahne:
    Ich habe mir nämlich selbst die „Diagnose“ Mischung aus Hochsensibilität und Asperger gegeben (bereits bevor ich den Artikel kannte).
    HS alleine hat zwar auch vieles erklärt, aber ich habe viele außergewöhnliche Eigenheiten und Rituale, die sich ziemlich eindeutig ins Autismus-Spektrum einordnen lassen. Zudem habe ich vor allem als Kind auch dieses Fremde-Planet-Gefühl gehabt. Im Kindergarten waren eben Kinder und ich, aber ich fühlte mich nie als eines dieser Kinder und suchte auch nie den Kontakt. Manchmal dachte bzw. denke ich, dass ich andere Menschen einfach nicht verstehe und einschätzen kann und nicht weiß, wie ich mit ihnen umgehen soll. Aber ich kann auch gut Menschen analysieren und weiß, wie ich ein Gespräch lenken kann. Das begründete ich aber schon immer mit meiner Intelligenz.
    Soziale Situationen sind für mich generell sehr anstrengend, aber ich bekomme sie eigentlich immer trotzdem gut hin.

    Ich denke nicht, dass ich sagen kann, dass ich in der Denkweise eindeutig Aspie und in der Gefühlsverarbeitung eindeutig HS bin. Ich spüre vielmehr beide Wesenszüge parallel, die sich gegenseitig überlagern, ausgleichen, verstärken oder abschwächen. Wobei in stressigen Situationen eher der Aspie rauskommt (also bei der Arbeit). Da kann dann schon mal sein, dass ich manches so wörtlich verstehe, dass es mich selbst überrascht. Zuhause bin ich dann meist der empathische HS.
    Ich bin sehr emotional und erlebe meine Gefühle sehr tief und ausgeprägt, fast in jeder einzelnen Körperzelle. Mein Gehirn denkt aber doch schon eher wie ein Aspie. Es schießt wie ein Computer Informationen daher, ich habe ein außerordentliches Zahlen- und Faktengedächtnis, bin aber auch künstlerisch sehr begabt.
    Ich habe in allen Sinnesbereichen mehr oder weniger starke Wahrnehmungsbesonderheiten, denke in Bildern, habe Synästhesien und eine leichte Form von Prosopagnosie. Zudem ist meine Händigkeit nicht wirklich klar, aber ich tendiere eher zu Linkshänder.
    Irgendwie denke ich, dass bei mir da oben alles total verrückt „verkabelt“ ist.
    Bei meinen Eltern kann ich schon auch Züge beider neuronalen Varianten feststellen, aber ich hab das Gefühl, als hätte sich das alles bei mir multipliziert oder gar potenziert.

    Obwohl ich sehr tiefe Bindungen zu Menschen (meiner Familie) habe, hatte ich noch nie das Bedürfnis nach einer partnerschaftlichen Beziehung. Das ist für mich unvorstellbar und eine eigene Familie würde mich emotional und auch durch Spontanität und Reizüberflutung überfordern.
    Ich kann generell nichts mit Geschlechtern und Geschlechterrollen anfangen, wie es vielen Aspie-Frauen geht. Ich bin halt einfach ein Mensch.
    Ich sehe meine Neurodiversität meist mehr als Gabe und seltener als Belastung und ich finde es ganz wichtig, dass solche Artikel wie dieser noch mehr publik gemacht werden und dass das Bild des emotionslosen (Asperger)-Autisten hoffentlich bald verschwindet und durch solche neuen Erkenntnisse ersetzt wird.
    Liebe Grüße, Stefanie

    1. Liebe Stefanie,

      Ich danke Dir sehr herzlich für Deinen ausführlichen Kommentar!
      Deine ausführlichen Beschreibung ist sehr wertvoll für viele Angehörige; mir hilfst Du sehr bei meinen Recherchen. – Inzwischen weiss ich, dass es tatsächlich sehr , sehr viele Menschen wie Dich gibt; aber bis heute ist mir keine einzige offiZielle Forschung dazu bekannt.

      Herzbewegte Grüsse, Jutta

  11. Liebe Jutta,
    das ist ein sehr interessanter Artikel. Vielen Dank für Deine Veröffentlichung des Artikels.

    Beim Thema HS und Aspi beschäftigt mich noch ein dritter Aspekt: frühkindliche Traumata (insbesondere Bindungstrauma) und deren Auswirkungen.
    Gerade bei frühkindlichem / kindlichem Bindungstrauma kann es zu einem Gefühl des „Fremdseins“ kommen. Wenn das zu einer veranlagten HS hinzu kommt, ähnelt es dann eher dem Fremdsein-Gefühl eines HS oder dem eines Aspis?
    Und welche anderen Auswirkungen kann es geben?

    Viele Grüße

    1. Liebe Sarah;
      Das ist eine sehr interessante Frage, die du da stellst. Leider kann ich das nicht wirklich beantworten.Aber soweit ich das beurteilen kann, fühlen Aspis sich fremd wegen ihrer völlig anderen Sinneswahrnehmung; auch wegen ihres häufigen Unverständnisses von Mimik und den daraus resultierenden Missverständnissen.
      Bei Hochsensiblen ist das Gefühl des Fremdseins glaube ich eher ein Resultat der ganz anderen Art zu fühlen und zu denken.

      Hochsensible mit schweren Entwicklungstraumata bekommen leicht die Diagnose Borderline verpasst. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist, dass ich mit zwei solchen Menschen gesprochen habe (einer davon mit Bindungstrauma!), bei denen sich die Psychiater und Therapeuten nicht einig werden, ob sie Asperger sind oder nicht. Wobei das allerdings auch an deren Unkenntnis bez. HS liegen kann; zumal ja durch die PTBS zusätzlich eine Hypervigilanz vorliegt; die zu von Autisten bekannten Verhaltensmustern wie Meltdown führt.

      Herzbewegte Grüsse, Jutta

  12. Hallo Jutta,

    der Artikel ist zwar schon etwas älter, aber vielleicht liest du meinen Kommentar trotzdem noch 🙂
    Ich hatte gerade einen ziemlichen Aha-Moment. Seit ein paar Jahren weiß ich, dass ich hochsensibel bin, aber 100%ig hat es nie gepasst. Asperger vermute ich seit einiger Zeit teilweise bei mir, aber eben auch nicht vollkommen, und das hat mich frustriert. Woher kommen denn meine Schwierigkeiten? Kann ich mich überhaupt irgendwo einordnen?
    Es gibt nicht so viele Artikel über die Kombination HSP & Asperger. Aber deinen Artikel werde ich definitiv meinen engsten Bezugspersonen zeigen. Vielen Dank dafür!!
    Liebe Grüße
    Damaris

    1. Liebe Damaris, vielen Dank für Deinen Kommentar! – Ja, der Artikel ist schon älter, und mich haben sehr viele Leser angeschrieben. Inzwischen weiss ich, dass es sehr viele „Hybrid“-Menschen gibt.

      Herzbewegte Grüsse, Jutta

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